Die Forscher:innen untersuchten zwei Zugvogelarten – die Gartengrasmücke (Sylvia borin) und die Dorngrasmücke (Curruca communis) – während ihrer Frühjahrswanderung. Die Vögel wurden auf der italienischen Insel Ponza gefangen, nachdem sie das Mittelmeer überquert hatten. Dabei analysierten die Forschenden die Konzentration des Stresshormons Corticosteron (CORT) im Blut der Vögel, sowohl in Ruhe als auch unter Stressbedingungen.

„Es ist faszinierend zu sehen, wie gut diese kleinen Vögel auf die Herausforderungen ihrer Reise vorbereitet sind. Ihre Fähigkeit, selbst unter schwierigen Wetterbedingungen stabil zu bleiben, zeigt, wie anpassungsfähig sie sind,“ sagt Studienerstautorin Erica Calabretta vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni.

Ergebnisse zur Wetterresistenz

Die Ergebnisse der Studie sind überraschend: Weder Windverhältnisse noch Temperaturen während des Fluges hatten einen Einfluss auf die Grundwerte des Stresshormons. Selbst bei moderaten Gegenwinden oder kühleren Temperaturen zeigten die Vögel keine erhöhten Stressreaktionen. „Wir hatten erwartet, dass widrige Wetterbedingungen die Stresshormonwerte erhöhen würden, aber das war nicht der Fall,“ so Calabretta weiter.

Strategische Entscheidungen und Anpassungsfähigkeit

Laut den Forscher:innen verfügten jene Vögel, die ihr Ziel erreichten, über ausreichende Energie- und Fettreserven und waren in hervorragender körperlicher Verfassung. Die Studie hebt hervor, dass die Tiere ihre Abflugzeit und -bedingungen strategisch wählen, um die Überquerung des Mittelmeers erfolgreich zu bewältigen. „Diese Vögel sind wahre Meister der Planung“, sagt Studien-Letztautor Leonida Fusani, Leiter des KLIVV. „Sie warten auf die besten Bedingungen, bevor sie ihre Reise antreten und teilen ihre Energie gut ein – und das zahlt sich aus.“ Diese Ergebnisse gelten allerdings nur für Vögel, die die Überquerung erfolgreich abgeschlossen haben. „Wir wissen nicht, wie viele Vögel es nicht schaffen, die Reise zu beenden“, gibt Calabretta zu bedenken. „Das ist eine wichtige Frage, die wir in zukünftigen Studien untersuchen müssen.“

Die mediterrane Region hat in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme unvorhersehbarer Wetterereignisse erlebt, was die Bedeutung dieser Forschung unterstreicht. „Extreme Wetterbedingungen könnten die Energiereserven der Vögel erschöpfen und ihre Fähigkeit beeinträchtigen, mit Stressfaktoren wie Raubtieren umzugehen“, so Ivan Maggini (KLIVV).

Die Forschung zeigt, wie anpassungsfähig Zugvögel sind, doch bleibt unklar, wie sie auf extremere Wetterbedingungen reagieren würden. „Wir müssen die physiologischen Mechanismen besser verstehen, die es diesen Vögeln ermöglichen, solche Herausforderungen zu bewältigen“, sagt Leonida Fusani. Die Ergebnisse sollen helfen, den Schutz von Zugvögeln zu verbessern, insbesondere angesichts des Klimawandels.

Der Artikel “Passerine stopover physiology: weather variability does not alter corticosterone dynamics after sea crossing” von Erica Calabretta, Virginie Canoine, Massimiliano Cardinale, Ivan Maggini und Leonida Fusani wurde in Journal of Avian Biology veröffentlicht.