„Dieselmotoren sind die effizientesten Verbrennungsmotoren und für die Beförderung auf der Straße und am Wasser in den nächsten Jahrzehnten schwer ersetzbar“, fasst er zusammen. Biodiesel aus Biomasse oder synthetische Kraftstoffe können – als Beimischung oder pur – die Ökobilanz aufbessern. Einen Umstieg vom Lkw auf die Bahn hält der Chemiker zwar prinzipiell für sinnvoll, aber aus Gründen der Flexibilität und der geringen Kapazität nur in beschränktem Ausmaß für umsetzbar.
Besser als sein Ruf ist auch das Schiff, das, bezogen auf die Fracht, viel weniger CO2-Emissionen erzeugt als der Transport auf der Straße. Allerdings wird als Treibstoff der sonst nicht verwertbare Rückstand der Erdölfraffination verwendet, wodurch große Mengen an Schadstoffen wie Schwefeldioxid ausgestoßen werden. „Die Reduktion des Schwefelgehalts im Schiffsdiesel von zurzeit 3,5 Prozent auf maximal 0,5 Prozent im nächsten Jahr ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings ist der Anteil dann immer noch 500 Mal höher als im normalen Treibstoff“, kritisiert Mittelbach. Mittelfristige Alternativen wären für ihn die Verwendung von Erdgas oder Flüssiggas. Dennoch mahnt der Wissenschafter: „Man muss die Notwendigkeit der Transporte ernsthaft hinterfragen. Brauchen wir wirklich Holz aus fernen Ländern wie Kanada, um es zu Pellets zu verarbeiten und bei uns zu verheizen?“
Ein riesiges Problem ist definitiv der Flugverkehr. Ein Trip von Graz nach London und retour verursacht 500 Kilogramm COpro Person, nach New York und retour sind es gleich drei Tonnen – ein Drittel des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes pro Kopf und Jahr in Österreich. „Am Kerosin kommt man aber nicht vorbei, alternative Kraftstoffe sind momentan viel zu teuer“, so Mittelbach. Kurzstrecken solle man daher unbedingt auf die Schiene verlegen, da bei Start und Landung besonders viel Sprit verbraucht wird. Angesichts der verlockenden Angeboten der Billig-Airlines sieht der Experte den Staat gefordert: „Wir werden um eine CO2-Steuer nicht herumkommen.“

Wie öko ist E?

Die einerseits extrem gehypten, andererseits heftig kritisierten Elektrofahrzeuge betrachtet der Grazer Forscher als eine wichtige Alternative im Verkehr, auch wenn sich der Energieaufwand für die Batterieherstellung erst nach vielen tausend Kilometern im Betrieb amortisiert hat. „Ein Tesla S kann zwar – die Produktion miteingerechnet – ökologisch mit dem neuesten Mercedes C-Klasse Diesel nicht mithalten, aber kleine E-Autos haben eine deutlich bessere Ökobilanz und sind für Kurzstrecken ideal“, so der Chemiker, „wobei auch berücksichtigt werden muss, woher der getankte Strom kommt.“ Ebenfalls positiv zu Buche schlagen wird sich in Zukunft das Batterien-Recycling, das sich derzeit aufgrund der geringen Stückzahl noch nicht rentiert.
Als oberste Prämisse müsse aber gelten, so weit wie möglich überhaupt auf den Pkw zu verzichten.

«Der Individualverkehr gehört raus aus der Innenstadt»,

unterstreicht der Forscher. Lokale Emissionen, Stickoxide und Feinstaub wiegen in Ballungszentren besonders schwer. Beim nötigen Ausbau der Öffis sollte man vollständig auf Strom setzen, aber nicht auf schwere, starre Straßenbahnen. „Studien zeigen, dass etwa Oberleitungsbusse eine verhältnismäßig billige, flexible und umweltfreundliche Transportmöglichkeit sind, natürlich auch Fahrzeuge mit Batteriebetrieb.“

Wunderbarer Wasserstoff?

Ein altes Thema hat Ex-Kanzler Sebastian Kurz wieder aufs Tapet gebracht: Er wolle im großen Stil in die Wasserstoff-Forschung investieren. „Das ist nicht nötig, die Technologie ist fix und fertig. Sie kann aber aktuell auch nur einen Teil der Probleme lösen“, weiß Mittelbach. Die Brennstoffzelle ist teuer und aufwändig herzustellen, ihr Wirkungsgrad schlechter als der eines reinen E-Motors. Außerdem muss man Wasserstoff mit großem Energieaufwand produzieren – derzeit wird er aus Erdgas gewonnen. Der Vorteil: anders als Strom kann man ihn lagern, die Betankung geht ähnlich rasch und unkompliziert wie mit Benzin – nur die Infrastruktur müsste erst geschaffen werden.
„Mit Wasserstoff könnte man auch Lkws oder sogar Flugzeuge antreiben. Der große Haken dabei: Das ist zurzeit um das Zehn- bis Hundertfache teurer“, analysiert der Chemiker. Das wird sich nicht ändern, auch wenn man das Hydrogenium mittels Überschuss-Solarenergie durch die Elektrolyse von Wasser gewinnen kann. Langfristig sieht er aber in Elektromobilität und Wasserstoff die einzigen Alternativen im Transportsektor: „Beide werden sich gegenseitig ergänzen, ein gewisser Wettbewerb wird die Entwicklung beschleunigen.“

Bio im Tank

Nachdem wir in absehbarer Zukunft nicht ohne Verbrennungsmotor auskommen werden, forscht man intensiv an alternativen Kraftstoffen. Ein Ansatz sind sogenannte E-Fuels. Dafür werden Wasser und CO2 aus Emissionen oder aus Biomasse unter großem Energieaufwand wieder gespalten. „Wenn man für dieses Prozedere Stromüberschüsse aus nachhaltigen Quellen verwendet, die ansonsten verpuffen würden, wäre das sicher eine Langzeitstrategie. Allerdings bleibt die Herstellung derart teuer, dass ich mir
in den nächsten fünfzig Jahren keinen massiven Durchbruch erwarte“, meint der Chemiker. Nicht ganz nachvollziehbar ist für ihn, dass die Produktion von Biotreibstoffen in Europa stagniert und insgesamt einen schlechten Ruf hat. In diesem Bereich gibt es noch ein großes Potenzial an Abfall und Restbiomasse, die als Rohstoff eingesetzt werden kann, oder Biomasse aus schnellwachsenden Pflanzen. Raps könnte beispielsweise als Eiweißfutter sowie das Öl als Kraftstoff genutzt werden, was sowohl Erdöl- als auch Sojaimporte reduzieren würde.
Das Um und Auf bleibt für den Forscher, unser gesamtes Transportwesen sowie die Mobilität zu hinterfragen: „Ein Liter Milch legt im Schnitt mehrere hundert Kilometer zurück, bevor er im Supermarkt-Regal landet. Das ist Wahnsinn!“