Fließgewässer wie die Traisen veratmen gelösten organischen Kohlenstoff, der üblicherweise aus natürlichen Quellen wie Böden und Pflanzen des Einzugsgebietes stammt. Wälder, Wiesen und Felder liefern eine Vielzahl von organischen Molekülen, welche sich auch auf die Farbe des Wassers auswirken. Der so eingebrachte Kohlenstoff wird durch im Fluss lebende Mikroorganismen nach und nach abgebaut. Dabei entsteht Energie für die Mikroben, aber auch überschüssiges Kohlendioxid, welches an die Atmosphäre abgegeben wird.

Ein an der Universität Wien und am WasserCluster Lunz beheimatetes Forscher*innenteam um Astrid Harjung, Katrin Attermeyer, Michael Schagerl und Jakob Schelker hat nun aufgezeigt, wie dieser natürliche Kreislauf der Traisen einmal im Jahr durch das FM-4 Frequency Festival verändert wird.

Substanzen-Cocktail

Das Festival lockt jährlich rund 100.000 Besucher*innen. Durch das Festivalgelände mit Campingmöglichkeit fließt die Traisen. Mit im Gepäck haben sie verschiedene organische Verbindungen, welche über unterschiedliche Wege in den Fluss eingetragen werden.

Der menschliche Eintrag von gelöstem Kohlenstoff in die Traisen konnte durch Fluoreszenzspektroskopie dokumentiert werden. Neben bekannten Verbindungen zeigte die Analyse auch eine unbekannte Komponente im „Substanzen-Cocktail“ an. Die Forscher*innen erstellten daraufhin eine Liste möglicher Quellen für diesen unbekannten Stoff: Neben Bier und anderer Getränkte, wurden diverse Pflegeprodukte wie Seife, Sonnencreme und Zahnpasta, aber auch Urin und Plastik als anthropogene Quellen in Betracht gezogen. In Laborexperimenten konnte dann nachgewiesen werden, dass ein häufig in Sonnencremen verwendeter UV-B Filter, Phenylbenzimidazole sulfonic acid (PBSA), das Signal erzeugte. Diese Beobachtung wurde durch weitere Analysen in Zusammenarbeit mit tschechischen Spezialisten durch Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie bestätigt.

Fluss außer Atem

In einem weiteren Schritt wurden verschiedene anthropogene organische Kohlenstoffquellen im Labor auf ihre Bioverfügbarkeit für die Mikroorganismen im Fluss getestet. Es zeigte sich, dass einige der durch Festivalbesucher*innen eingetragenen Stoffe sehr schnell veratmet werden. So wurde z.B. Bier und Urin bereits innerhalb weniger Stunden fast vollständig abgebaut, wodurch sich der CO2-Ausstoß vor Ort erhöhte. Im Gegensatz dazu war für das PBSA aus Sonnencremen auch nach Wochen kein biologischer Abbau quantifizierbar.

Die Studie zeigt, dass die intensive Freizeitnutzungen von Fließgewässern die Konzentration und Zusammensetzung des gelösten Kohlenstoffes maßgeblich verändern kann. Diese Veränderungen führen zu einer Verschiebung des Gewässermetabolismus – einerseits zu einer verstärkten Veratmung leicht abbaubarer Substanzen, andererseits zu einem Weitertransport von nicht abbaubaren Verbindungen Richtung Meer.

Publication in „Environmental Science & Technology“:
Astrid Harjung , Katrin Attermeyer, Victor Aigner, Nikola Krlovic, Gertraud Steniczka, Helena Švecová, Michael Schagerl, and Jakob Schelker „High Anthropogenic Organic Matter Inputs during a Festival Increase River Heterotrophy and Refractory Carbon Load“.
DOI: 10.1021/acs.est.0c02259