Während es für die Untersuchung von Haushunden mehrere etablierte Instrumente gibt, sind ihre freilebenden Artgenossen trotz ihres Anteils von rund 80 % an der weltweiten Hundepopulation noch weitgehend unerforscht. Da die Sozialisierung und Ausbildung durch den Menschen wahrscheinlich die Entwicklung von Haushunden beeinflusst, könnte dies möglicherweise das natürliche Persönlichkeitsspektrum der Spezies verzerren.

In ihrer nun in iScience veröffentlichten Studie haben die an der Vetmeduni tätigen Forscherinnen zwei sich ergänzende Methoden zur Bewertung von drei Persönlichkeitsmerkmalen genutzt und validiert: menschenbezogene Geselligkeit, artbezogene Geselligkeit und Erkundungsverhalten. 201 freilebende Hunde aus der marokkanischen Region Souss-Massa wurden mit den beiden Methoden bewertet. Dazu Studien-Erstautorin Urša Blenkuš vom KLIVV: „Die erste Methode basierte auf der Beobachtung der Hunde in ihrer alltäglichen Umgebung, während die zweite einen strukturierten Verhaltenstest umfasste. In diesem Test wurde jedem Hund nacheinander ein unbekannter Mensch, ein Hundemodell und ein neuartiges Objekt präsentiert, um seine Reaktionen in verschiedenen sozialen und explorativen Kontexten zu bewerten.“

Neu entwickelte Messmethoden liefern stabile und konsistente Ergebnisse

Beide Methoden zeigten, dass selbst nach mehreren Wochen Abstand, dieselben Verhaltensweisen gemessen wurden – also eine hohe zeitliche Stabilität. Das deutet laut den Wissenschafterinnen darauf hin, dass die Messinstrumentarien konsistente Aspekte der individuellen Persönlichkeit über einen längeren Zeitraum hinweg erfassten. Die Forscherinnen fanden heraus, dass die Ergebnisse beider Methoden sich stark ähneln, unabhängig vom Kontext. Das zeigt, dass die Persönlichkeit von freilaufenden Hunden zuverlässig gemessen werden kann.

Richtungsweisend für künftige Persönlichkeitsforschung an wildlebenden Tieren

„Unsere Ergebnisse belegen, dass Persönlichkeitsmerkmale bei freilaufenden Hunden zuverlässig gemessen werden können“, betont Urša Blenkuš. Zudem konnte die Studie nachweisen, dass lange und komplexe experimentelle Tests auch in störungsanfälligen Umgebungen durchführbar sind – und somit nicht auf experimentelle Settings beschränkt sind. „Die Erkenntnisse unserer Studie sind ein wichtiger Schritt in der Erforschung der Persönlichkeit von wildlebenden Tieren. Unsere Forschungsarbeit ebnet den Weg für die Einbeziehung freilaufender Populationen in umfassendere Studien zur Persönlichkeit und fördert unser Verständnis der Verhaltensökologie solcher Tierarten“, so Urša Blenkuš.

Der Artikel „Personality Traits in Free-Ranging Dogs: Do Experimental Tests Mirror Natural Behaviour?“ von Urša Blenkuš, Friederike Range, Debora Prince, Corisande Abiven, Giulia Cimarelli und Sarah Marshall-Pescini wurde in „iScience“ veröffentlicht.